Hansestadt Gardelegen – Jugend

Die Hansestadt Gardelegen gehört zu den fünf Pilotkommunen 2022 für Kinder- und Jugendbeteiligung in Sachsen-Anhalt. Bis Dezember werden mit dem Jugendförderungszentrum und dem Jugendbeirat mehrere Demokratie-Workshops stattfinden, unter anderem zur Vorbereitung der zweiten Jugendbeiratswahl im Oktober 2022. Bis dahin ist Gardelegens erster Jugendbeirat, der 2020 gewählt wurde, im Amt. Er verfügt über ein eigenes Budget sowie Rede- und Antragsrecht bei allen
Ortschaftsrats-, Ausschuss- und Stadtratssitzungen. Die Fragen des Landeszentrums Jugend + Kommune beantworteten Lara Fehse, Tayler Manske und Elias Spalik. Als weitere Quelle diente ein Gespräch mit zwei der drei Gründerinnen im sehr empfehlenswerten Podcast des Jugendbeirates Gardelegen.

Warum braucht Gardelegen einen Jugendbeirat?

Gardelegen braucht einen Jugendbeirat, damit Kinder und Jugendliche eine Stimme haben. Es ist viel einfacher, uns anzusprechen, als zu einer offiziellen Stelle zu gehen. Wir sind Partner auf der gleichen Ebene und haben als Jugendliche natürlich ein anderes Verständnis für Gleichaltrige als z. B. ein Mitarbeiter in der Stadtverwaltung. Außerdem sind wir selbst betroffen und haben dementsprechend ein größeres Interesse daran, Ideen und Wünsche umzusetzen. Ein Jugendbeirat ist förderlich für Gardelegen, um junge Menschen mehr zu integrieren und für Politik zu begeistern.

Wie ist der Jugendbeirat in Gardelegen entstanden?

Die drei Gründerinnen HannahWeber, JetteMertens und Jolina Schlaß nahmen 2019 am Projekt „Jugendbotschafter“ des Miteinander e.V. teil. Dort konnten sich Jugendliche Praxisprojekte ausdenken und wurden bei der Umsetzung beraten und unterstützt. Die Idee von Hannah, Jette und Jolina war ein Jugendbeirat für Gardelegen. Sie haben mit Fachleuten gesprochen und sich Verbündete in der Politik gesucht. Die erste E-Mail ging an Bürgermeisterin Mandy Schumacher. Da kam ganz schnell eine Antwort und es gab bald ein erstes Treffen. Die Gründerinnen sind dann in die Schulen gegangen, um ihre Idee allen Klassen vorzustellen und Kinder und Jugendliche dafür zu begeistern. Das hat gut funktioniert. 12 Kandidatinnen und Kandidaten im Alter von 12 bis 21 Jahren ließen sich 2020 zur Wahl aufstellen. Gewählt wurde per Briefwahl. Alle Schülerinnen und Schüler bekamen den Wahlzettel nach Hause, konnten ihr Kreuz machen und ihn dann in der Schule in eine Wahlurne werfen.

Welche Hürden gab bzw. gibt es? Was hat geholfen bzw. hilft dabei, die Schwierigkeiten zu meistern?

Die Gründerinnen hörten öfter den Satz: „Das geht so nicht, das könnt ihr so nicht machen“ und mussten um vieles kämpfen. Trotzdem nahmen sie Politik, Stadtverwaltung und alle, mit denen sie bei der Vorbereitung des Jugendbeirates in Gardelegen zu tun hatten, als extrem unterstützend wahr. Am Anfang wurde lange über die Satzung und die Rahmenbedingungen diskutiert. Der Jugendbeirat wünschte sich gewisse finanzielle Mittel und einen eigenen Raum als Treffpunkt. Letztlich haben wir ein Budget von 2000 Euro pro Jahr bekommen, mit einem festen Raum hat es nicht geklappt. Wir treffen uns auf Anfrage in freien Räumlichkeiten in der Verwaltung. Die Satzung haben wir gerade nochmals bearbeitet, da wir mit einigen Punkten unzufrieden waren. Die überarbeitete Fassung muss noch durch die Ausschüsse und den Stadtrat.

Da Hannah, Jette und Jolina selbst nicht Teil des Gremiums geworden sind, musste sich der frisch gewählte Jugendbeirat erst einmal mit ihrer Vorarbeit auseinandersetzen und sich als Gruppe zusammenfinden. Wegen der Corona-Pandemie war das nicht leicht. Wir konnten uns nur digital treffen und von uns geplante Veranstaltungen fielen aus. Das behinderte auch unsere Öffentlichkeitsarbeit. Durch die viele theoretische Arbeit am Anfang und fehlende Erfolgserlebnisse haben einige der sehr jungen Mitglieder (12-14 Jahre) den Jugendbeirat wieder verlassen.

Es ist es auch nicht immer einfach, einen Termin zu finden, der allen passt. Einige Mitglieder gehen zur Schule, andere sind in der Ausbildung, arbeiten oder studieren. Das bedeutet, dass wir immer gut und vorausschauend planen müssen.

Wie arbeitet das Jugendgremium?

Der Jugendbeirat trifft sich einmal im Monat zur öffentlichen Sitzung. Dazwischen tagen die Ausschüsse Schule, Freizeit, Sport / Bau und Verkehr / Soziales und Demokratieförderung / Öffentlichkeitsarbeit / Finanzen / Klima und Umwelt. Jedes Mitglied ist in zwei Ausschüssen vertreten. Es ist einfacher, sich in kleinen Gruppen abzusprechen, die sich in dem entsprechenden Bereich gut auskennen. Große Projekte werden dann in der großen Gruppe besprochen. Wir treffen uns auch manchmal privat und wir planen, für die Harmonie im Team gemeinsam etwas zu unternehmen. Im Mai 2022 haben wir gemeinsam den SPD-Bundestagsabgeordneten aus der Altmark, Herbert Wollmann, in Berlin besucht.

Wir zeigen uns auch bei öffentlichen Veranstaltungen, waren z. B. beim Drachenbootrennen in Zichtau und bei „Diskutier mit mir“ in Gardelegen dabei, oder wir organisieren selber etwas, z. B. eine Osterrallye durch unsere Stadt, um auf den Jugendbeirat aufmerksam zu machen.

In einer schriftlichen Umfrage an den Schulen werden wir Kinder und Jugendliche nach ihren Wünschen und Problemen fragen und dabei auch etwas thematisieren, das uns stört: Die Bushaltestellen sind abends sehr dunkel. Wir wollen wissen, ob das andere auch so empfinden.

Welche Themen sind Ihnen wichtig?

Sehr wichtig sind uns Klima und Umwelt. Wir haben in Kooperation mit der Naturschutzjugend Sachsen-Anhalt mehrere Wochen lang eine Aufklärungskampagne auf Instagram u. a. zu gesunder Ernährung, Recycling  und Müllvermeidung gestaltet. Im September 2022 möchten wir eine Aktion zum World Cleanup Day starten oder unterstützen.

Ein Thema, das uns sehr beschäftigt, ist die Fahrtkosten-Rückerstattung für die Schüler der Oberstufen. Ab der 11. Klasse muss ein Eigenanteil von 100 Euro bezahlt werden, den Rest übernimmt der Altmarkkreis Salzwedel. Die Schüler müssen die Tickets erstmal kaufen, sammeln, aufkleben und dann am Ende des Schuljahres einreichen. Das Verfahren ist für beide Seiten kompliziert. Wir denken, es wäre einfacher, am Anfang des Schuljahres ein Schülerticket für 100 Euro zu verkaufen und alles, was darüber hinausgeht, zurückzuerstatten. Es stellte sich jedoch heraus, dass dafür ein Gesetz geändert werden müsste. Die Landtagsabgeordnete Sandra Hietel (CDU) hat das Thema mit in den Landtag genommen. Wir wurden aber schon vorgewarnt, dass in näherer Zukunft nicht mit einem Ergebnis zu rechnen ist. Das wird sicherlich noch den nächsten und übernächsten Jugendbeirat beschäftigen.

Zur Aufklärung gegen Rassismus entwickeln wir einen Antirassismus-Workshop für Grundschüler. Unser Konzept mit Zeitplan, Spielen zu einzelnen Themenfeldern und benötigten Materialien ist so gut wie fertig.

Was funktioniert besonders gut?

Die Kommunikation untereinander. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind ausgeprägter als am Anfang und es sind Freundschaften entstanden. Besonders gut funktioniert auch die Kommunikation mit der Stadtverwaltung und der Bürgermeisterin. Auch vom Jugendclub werden wir immer mehr in die Zusammenarbeit involviert.

Was muss besser werden?

Die Bürokratie grundlegend zu vereinfachen ist ein großer Wunsch von uns Jugendlichen. Für ein einfaches Problem wie beim Schülerticket beispielsweise, das alle irgendwie stört, muss man tausend bürokratische Umwege gehen und für uns ist es gar nicht möglich, etwas zu verändern. Das ist dann schon ein bisschen frustrierend.

Wir fühlen uns auch noch unsicher, wie man sich gegenüber dem Stadtrat und den Ausschüssen verhält, wann man z. B. reden darf und wie man Anträge einreichen kann. Ein generelles Problem für viele unserer Mitglieder ist es, zu den Sitzungen der Gremien der Hansestadt Gardelegen zu gelangen. Die Sitzungen beginnen oft erst gegen 19.00 Uhr. Zu dieser Zeit fahren jedoch kaum noch Busse.

Fühlt sich der Jugendbeirat in Gardelegen gehört, unterstützt und ernst genommen?

Wir fühlen uns noch nicht wirklich ernst genommen, obwohl wir unterstützt werden, eine feste Ansprechpartnerin in der Verwaltung haben und die Bürgermeisterin immer ein offenes Ohr für uns hat. Das würde sich sicher entwickeln, wenn wir die offiziellen Strukturen besser kennen würden und öfter in Ausschuss-Sitzungen oder beim Stadtrat wären. Uns fehlt auch ein bisschen die Rückmeldung von den Jugendlichen, dass sie uns auch mal schreiben, was sie stört, oder zu unseren öffentlichen Sitzungen kommen.

Wie sehen die nächsten Ziele und Vorhaben aus?

Wir müssen noch viel bekannter werden. Unser größtes laufendes Projekt ist unser Podcast. Einmal im Monat stellen wir Menschen und Organisationen aus Gardelegen und Umgebung vor. Wir nutzen Instagram und Twitter, werden demnächst auf der Internetseite der Stadt vertreten sein und wollen auch mit Zeitungen und anderen Medien arbeiten, z. B. mit dem MDR. Eine weitere Idee ist, auf Pinnwänden in Schulen darüber zu informieren, was wir generell tun und was aktuell läuft.

Wir werden weiterhin auf Veranstaltungen präsent sein und eigene Sachen organisieren – vielleicht ein Picknick-Konzert für Jugendliche unter freiem Himmel an einem schönen Sommerabend.

Außerdem ist ein Austausch mit dem Jugendbeirat aus Gardelegens Partnerstadt Waltrop geplant. Und vor der Wahl des neuen Jugendbeirats im Herbst 2022 wollen wir nochmal Wahlkampf machen und einen 100-Tage-Plan erstellen, um die neuen Mitglieder ein bisschen abzuholen.

Haben Sie einen Rat für junge Menschen, die in ihrem Ort auch gerne ein Jugendgremium gründen möchten?

Ausprobieren, man macht sich oft viel zu viele Gedanken. Man sollte sich viel öfter überwinden, einfach etwas zu machen.

Jugendbeirat Gardelegen

E-Mail: jugendbeirat@stadt-gardelegen.de

Instagram: https://www.instagram.com/jugendbeirat.gardelegen/?hl=de

Twitter: @jb_gardelegen

Podcast: https://open.spotify.com/show/2YIFkikFKlanyE8UZYc3ue